Erbauer: Andreas SchmidtBaujahr: 2007 Disposition:
Hauptwerk |
|
|
Schwellwerk |
|
Principal |
8' |
|
Gamba |
8' |
Holzgedeckt |
8' |
|
Rohrgedeckt |
8' |
Salicional |
8' |
|
Aeoline |
8' |
Octave |
4' |
|
Vox coelestis |
ab c° 8' |
Flöte |
4' |
|
Gedeckt |
4' |
Vorabzug |
2' |
|
Quinte |
2 2/3' |
Mixtur |
4f 2' |
|
Flöte |
2' |
|
|
|
Terz |
1 3/5' |
|
|
|
Oboe |
8' |
|
|
|
Tremulant |
|
|
|
|
|
|
Pedal |
|
|
|
|
Subbaß |
16' |
|
|
|
Flöte |
8' |
|
|
|
Gemshorn |
4' |
|
|
|
|
|
|
|
|
Nebenzüge |
|
|
|
|
Ventus |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Normalkoppeln, Sup.II-P, Plenumzug |
|
System |
Mechan. Schleiflade |
Manuale C-a''', Pedal
C-f' |
Expressiver Wind, drei versch. Winddrücke,
Temperierung: Valotti |
Die Orgel in St. Laurentius Niederkalbach 2007, II/18 (19), Andreas Schmidt |
 |
• Geschichte der früheren Orgel
1917, etwa 8 Jahre nach dem Neubau der neugotischen Kirche in Niederkalbach
baute die Firma Orgelbau Gebr. Späth aus Ennetach ein damals zeitgenössisch
typisches Instrument mit 13 Registern auf zwei Manualen. Ungewöhnlich war der
Anlagenaufbau der mir lediglich aus Beschreibungen Ortsansässiger bekannt ist.
Demnach stand auf der wesentlich kleineren Empore ein einfaches Zweckgehäuse,
welches durch eine Orgelfassade auf der Emporenbrüstung verdeckt war. Zwischen
der Orgelfront, die mit Schwellklappen ausgestattet war, und Fassade verlief ein
enger Gang, es bestand keine technische Verbindung zu den Prospektpfeifen. Der
Spieltisch war seitlich rechts, die Treteinrichtung für die Windanlage (auf dem
Dachboden) gegenüber angeordnet. Man konnte sich auf der damals noch kleineren
Empore kaum bewegen, da die Orgel den Raum sehr blockierte. Die technische
Ausführung der Windladen basierte auf pneumatisch angesteuerten Taschenladen,
wodurch innerhalb der Spielhilfen einige Raffinessen einfach zu realisieren waren.
Die spätromantisch angelegte Disposition hatte die Besonderheit, dass sie im
Hauptwerk schwellbar gewesen war. |
Disposition: 1917, II/13, Gebr. Späth Ennetach, pneumatische Taschenlade.
|
II. Hauptwerk C-f’’’ |
I. Nebenwerk C-f’’’ |
Pedal C-d’ |
|
|
|
|
|
|
Prinzipal |
8’ |
Nachthorn |
8’ |
Subbaß |
16’ |
Konzertflöte |
8‘ |
Gamba |
8’ |
Cellobaß |
8’ |
Aeoline |
8’ |
Salicional |
8’ |
|
|
Vox celestis |
8‘ |
Traversflöte |
4’ |
|
|
Oktave |
4‘ |
|
|
|
|
Harmonia aethera |
3f. |
|
|
|
|
(Tremulant) |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Koppl. I. zu Ped., Koppl. II. zu Ped., Okt. Kopplg. II. zu Ped., Okt. Kopplg. II. zu I. 16‘, Okt. Kopplg. II. zu I. 4‘, Auslöser, Piano, Tutti, Forte, Mezzoforte |
1957 Veränderungen bzw. Umbauten innerhalb der Disposition. |
1977 Emporenvergrößerung. Die Orgel wurde entfernt, Teile davon wurden im
Dachboden über der Sakristei gelagert. Zwischen 1977 und 2007 stand eine
elektronische Orgel auf der Empore. |
• Werdegang zur neuen Orgel
1999 sollten, auf der Grundlage einer Ausschreibung, verschiedene Orgelbaufirmen
ihre Vorschläge zu einem neuen Instrument abgeben. Zu dieser Zeit ging es jedoch
lediglich um Kostenermittlung. Die Kirchenrenovierung war in vollem Gange. Etwa
ein Jahr später wurden konkrete Kostenvoranschläge eingeholt über die auch
gesprochen wurde. Es ging zu dieser Zeit um ein Instrument mit 14 Registern und
zwei Transmissionen möglichst in Anlehnung verschiedener Eigenschaften der ursprünglichen Orgel.
2003 wurde mein Angebot vom 07.04.2000
unter Einbezug des alten Pfeifenbestandes,
eines erweiterten Tonumfanges
und erweiterter Technik aktualisiert. Die
Kostenbasis vom ersten Angebot wurde
beibehalten, verschiedene Fotomontagen
wurden erstellt. Der Kostenvoranschlag
vom 21.07.2003 beinhaltete unter anderem
18 (19) Register und blieb bei weiteren
Verhandlungen Grundlage bis zur
Auftragsvergabe am 04.04.2005. |
• Auftragserteilung und Definition
Erwähnenswerte Eckpunkte für den Zuschlag bestanden unter anderem daraus ein
19-rigistriges, romantisch disponiertes Werk mit Schwellwerk und seitenspieliger
Anordnung auf engstem Raum hinter der historischen Fassade zu gestalten.
Wichtiges Merkmal war; die Ansicht des neuen mit dem ursprünglichen Werk (1917)
und dem zuvor entstandenem Kirchenraum (wie 1908) in Einklang zu bringen. Wir hatten eine Fläche von drei mal drei Metern und eine Höhe von 3,6 Metern zur
Verfügung. Darin sollten fast 1200 Pfeifen (davon 10 Register mit 8’-Länge) Platz
finden, man sollte von vorne nichts als die historische Fassade sehen und es sollte
ein Schwellwerk untergebracht sein. Keine leichte Aufgabe. |
• Aufgabenstellung, Gestaltung, technische Herausforderungen
Da wir im Jahr 2000 eine ähnliche Orgel in Marborn (II/17) gebaut hatten, waren wir
zuversichtlich aller Konstruktionsarbeit die vor uns lag. Wir stellten allerdings fest,
dass es aus Gründen der niedrigen Höhe und der besonderen Berücksichtigung des
ursprünglich blinden (funktionslosen) 4’-Prospektes kaum wieder verwendbare
Ansätze gab. Die Konstruktion füllte immer mehr den zur Verfügung stehenden
Raum vollständig aus, gleichzeitig sollte dort ein vollwertiges 8’-Werk versteckt
werden. Die Windladen mussten sehr weit unten angelegt
werden damit die 8’-Längen nicht über die
Prospektpfeifen herausragen. Alle Baugruppen
die normalerweise unter den Windladen
untergebracht sind mussten ungewöhnlich
kompakt angeordnet werden. Da dies im Bereich
des seitenspielig eingelassenen Spieltisches
nicht möglich war mussten die Windladen an
dieser Stelle getrennt und separat gebaut werden
um sie dort höher anordnen zu können. Auch die
Windversorgung und die Mechanik musste an
dieser Stelle getrennt konstruiert werden.
Das mittlerweile untersuchte und Teils zur
Wiederverwendung vorgesehene Pfeifenwerk aus
der alten Orgel (insgesamt 117 Pfeifen) gab uns
zum Teil die Richtung für die Entwicklung des
weiteren Pfeifenwerkes vor. Wir konnten relativ
früh mit den praktischen Arbeiten beginnen. |
• Durchführung
Die Abwicklung des Projektes basierte auf einem 10-teiligen Baufortschrittsplan, der
vertraglicher Bestanteil war und strickt eingehalten wurde. Nach Erfüllung eines
10tels dieser vordefinierten Aufgaben wurde jeweils ein Bericht geschrieben und es
konnte eine Rechnung gestellt werden. Es existieren also, mit Abschlussrechnung 11
dieser Berichte in denen jeweils alle Arbeiten bis zur Abnahme genau beschrieben
wurden. Zusätzlich hatten wir über die gesamte Bauzeit mit zahlreichen Fotos an die
Kirchengemeinde, den beiden Sachverständigen Herrn Prof. Kaiser und Herrn
Moormann, sowie durch unsere Homepage über das laufende Projekt informiert (auf
unserer Homepage immer noch unter „Werkliste“ einsehbar).
Die Arbeiten begannen Anfang 2006 und endeten, mit der Unterbrechung für ein
anderes Projekt, Ende 2007. |
• Beschreibung
Das in sich schlüssig konstruierte und in unserer Werkstatt in allen Einzelteilen selbst
gefertigte Werk weist an keinem Punkt Fremdcharakter von Fertigteilen oder
Halbfertigteilen auf. Auch wenn verschiedene Detaillösungen oftmals günstiger
möglich gewesen wären haben wir zugunsten der Qualität entschieden und Teils unwirtschaftliche Lösungen in Kauf genommen (Sägefurnierarbeit, aufwendige
Windanlage, hochwertige Bauweise des Pfeifenwerkes, der Windladen sowie
insbesondere der Eisentrakturen). |
- Anlagenaufteilung
Die Orgel steht mittig auf der Empore des Langschiffes. Die Werke sind von vorne
nach hinten gesehen in der Reihenfolge HW, Stimmgang, SW, Pedal aufgestellt. In
der vorderen Hälfte auf der rechten Seite befindet sich der bündig zum Gehäuse
eingelassene Spieltisch. Neben der Spielanlage steht ein 10cm stark isolierter
Kasten, indem sich der Gebläsemotor befindet. In voller Breiter der Orgel verläuft
unter dem Schwellwerk die dreifache Balganlage, von dort aus wird jedes Werk über
das ebenfalls dreifache Kanalsystem mit Wind versorgt. Im vorderen Bereich, unter
der Hauptwerkslade, in Verlängerung des Spieltisches liegen die Trakturrahmen der
Manualwerke. Die Pedaltraktur wird über ein liegendes Wellenbrett nach hinten unter
die Pedalwindlade geführt.
Die Pfeifenanordnung und somit auch die Windladen- und Trakturanordnung sind
aus der Mitte heraus seitenweise abfallend angelegt (in Anlehnung an die Fassade).
Die Pfeifen- Kanzellen- und Trakturanordnung stimmt exakt überein, sodass, mit
Ausnahme des Prospektes, keine Windführungen notwendig sind.
Auf der Windlade des II. Manuals steht ein zusätzliches starkwandiges Gehäuse um
dieses Werk in seiner Lautstärke durch bewegliche Klappen variieren zu können. |
I. Hauptwerk C-a’’’ |
II. Schwellwerk C-a’’’ |
Pedal C-f’ |
|
|
|
|
|
|
Principal |
8' |
Rohrgedeckt |
8' |
Subbaß |
16' |
Salicional |
8' |
Gamba |
8' |
Flöte |
8' |
Holzgedeckt |
8' |
Aeoline |
8' |
Gemshorn |
4' |
Oktave |
4' |
Vox coelestis ab c° |
8' |
|
|
Flöte |
4' |
Gedeckt |
4' |
|
|
Vorabzug |
2' |
Quinte |
2 2/3' |
|
|
Mixtur 4-fach |
2' |
Flöte |
2' |
|
|
|
|
Terz |
1 3/5' |
|
|
|
|
Oboe |
8' |
|
|
|
|
Kanaltremulant |
|
|
|
Koppeln:
II/I I/Pedal II/Pedal Super II/Pedal
Spielhilfen:
Plenum (als Zug) |
I. Manual: Hauptwerk |
Principal 8' |
C-A |
neu |
C, Cs, D Holz im Untergehäuse liegend, ab Ds Metall innenstehend, eingesetzte Labien, aus 87,5% Zinnbleilegierung. |
|
B-d' |
neu |
im Prospekt stehend, eingesetzte Labien.
(Überlänge und Expressionen), aus 87,5% Zinnbleilegierung (nach dem Vorbild alter Orgeln) gefertigt. |
|
ds'-a''' |
neu |
innenstehende Pfeifen, 87,5% Zinnbleilegierung, gedrückte Labien, Expressionen. |
|
|
|
kräftiger substanzreicher Ton. |
Salicional 8' |
C-c° |
alt |
volle Länge, Holz, S-Bärte, Expressionen. |
|
c°-h° |
alt |
Zink, gestempelte Labien, S-Bärte, Expressionen. |
|
c'-f''' |
alt |
Zinn, Naturguss, gestempelte Labien, Kastenbärte bis f'' ab fs'' Kastenbärte bis e'', Expressionen. |
|
fs'''-a''' |
neu |
Zinn, Naturguss, gestempelte Labien, Seitenbärte, Expressionen. |
|
|
|
streichend leiser Ton |
Holzgedackt 8' |
C-H |
neu |
feinjährige Fichte, eingesetzte Labien in Eiche. |
|
c°-h° |
neu |
Fronten Eiche, Seiten feinjährige Fichte. |
|
c'-a''' |
neu |
komplett Eiche, alle Vorschläge mit Papier aufgeleimt. |
|
|
|
warmer spuckender Ton |
Oktave 4' |
C-cs° |
neu |
87,5% Zinn im Prospekt stehend, eingesetzte Labien, Überlänge, Expressionen. |
|
d°-a''' |
neu |
87,5% Zinn, innenstehende Pfeifen, gedrückte Labien, Expressionen. |
|
|
|
kräftiger frischer Ton |
Flöte 4' |
C-H |
neu |
feinjährige Fichte, eingesetzte Labien in Eiche. |
|
c°-h° |
neu |
Fronten Eiche, Seiten feinjährige Fichte. |
|
c'-a''' |
neu |
komplett Eiche, alle Vorschläge mit Papier aufgeleimt. |
|
|
|
offener freundlicher Flötenton |
Mixture IV 2' |
C-a''' |
neu |
Bauart wie Oktave 4', aus 75% Zinn. (pro Ton 4 Pfeifen: 2' 1 1/3', 1', 2/3') Repetitionspunkte liegen bei C, ds°, e', fs''. Vorabzug aus Pfeifenreihe 2'. |
|
|
|
glänzender Klang |
Vorabzug 2' |
C-a''' |
neu |
Bauart wie Oktave 4', gedrückte Labien auf Tonlänge geschnitten, aus 75% Zinn. |
|
|
|
kräftig frischer Ton |
II. Manual: Schwellwerk |
Rohrged. 8' |
C-a''' |
neu |
durchgehende Bauart aus 15% Zinn. Röhrchen nach innen gehend, bombierte Deckel, große Bleibärte, angelötete Fähnchen gegen Verdrehen beim Stimmen. |
|
|
|
runder hohler Flötenton |
Gamba 8' |
C-h° |
alt |
Zink, volle Länge, gedrückte Labien, Expressionen, Rollenbärte bis H, z.T. gekröpft. |
|
c'-f''' |
alt |
Zinn, gestempelte Labien, S-Bärte bis f', Kastenbärte bis h'', Expressionen. |
|
fs'''-a''' |
neu |
Zinn, gedrückte Labien, Seitenbärte, Expressionen. |
|
|
|
streichender zeichnender Ton
|
Aeoline 8' |
C-H |
alt |
Zink, volle Länge, gedrückte Labien, Expressionen, Rollenbärte, z.T. gekröpft. |
|
c°-f''' |
alt |
Zinn, gestempelte Labien, Rollenbärte bis h', Expressionen. |
|
fs'''-a''' |
neu |
Zinn, gedrückte Labien, Seitenbärte, Expressionen. |
|
|
|
zarter sehr leiser Ton |
Vox coelestis 8' |
c°-h° |
alt |
Zink, volle Länge, gedrückte Labien, Expressionen, S- Bärte, z.T. gekröpft. |
|
c'-f''' |
alt |
Zinn, gestempelte Labien, Kastenbärte bis h'', Expressionen. |
|
fs'''-a''' |
neu |
Zinn, gedrückte Labien, Seitenbärte, Expressionen. Das Register ist überschwebend gestimmt. |
|
|
|
tremulierender sehr leiser Ton |
Gedackt 4' |
C-H |
neu |
Fronten Eiche, Seiten feinjährige Fichte. |
|
c°-a''' |
neu |
komplett Eiche, alle Vorschläge mit Papier aufgeleimt. |
|
|
|
warmer weiter Ton |
Quinte 2 2/3' |
C-a''' |
neu |
35% Zinn, durchgehende Bauart wie Oktave 4', aber ansteigend mensuriert, gedrückte Labien, Expressionen. |
|
|
|
farbiger nasaler Ton |
Flöte 2' |
C-H |
alt |
einfache Länge, Naturguss, gestempelte Labien, Expressionen. |
|
c'-h'' |
alt |
doppelte Länge, Naturguss, gestempelte Labien, Expressionen. |
|
c'''-a''' |
neu |
doppelte Länge, Naturguss, gedrückte Labien. |
|
|
|
sphärisch flötiger Ton |
Terz 1 3/5' |
C-a''' |
neu |
35% Zinn, durchgehende Bauart wie Oktave 4', abfallend mensuriert, Labien gedrückt. |
|
|
|
farbig glänzender Ton |
Oboe 8' |
C-H |
neu |
75% Zinn, mit Drehdeckeldeckung. |
|
c°-a''' |
neu |
75% Zinn, alle Zungen und Kehlen nach französischer Bauart. Kehlen am Ende bombiert, Zungenblätter abgerundet. |
|
|
|
lebendiger nasaler Ton |
Pedal |
Subbass 16' |
C-d' |
alt |
Fichte, Seitenbärte, geschraubte Vorschläge. |
|
ds'-f' |
neu |
angeglichene durchgehende Bauart. |
|
|
|
tragender hölzerner Ton |
Flöte 8' |
C-d' |
alt |
Fichte, gerundete Aufschnitte, geschraubte Vorschläge, innenliegendes Labium. |
|
ds'-f' |
neu |
angeglichene durchgehende Bauart. |
|
|
|
weiter solistischer Ton |
Gemshorn 4' |
C-f' |
neu |
durchgehende Bauart, Expressionen, ansteigend mensuriert. |
|
|
|
leicht streichender weiter Ton |
- Intonation
Mit verschiedenen Eingriffen wird der durch die Bauart vorbestimmte Klang aus den
Pfeifen gestaltet. Die klanglichen Eigenheiten der Register werden hierzu bereits bei
der Planung durch die Bauform, dem Material, der Mensur usw. geprägt. In der
Kirche werden an jeder einzelnen Pfeife verschiedene Parameter verfeinert, bis der
gewünschte Klangcharakter im Zusammenhang aller weiteren Töne und Register in
sich selbst geformt und auf den Raum abgestimmt ist. Auch die Anlage mit all ihren
Baugruppen ist auf die Klangrichtung der Romantik ausgerichtet, nicht nur die
Disposition, sondern auch die Bauart der Pfeifen, die Windcharakteristik, die
Anordnung und Art der Anlage usw. unterstützen diese Stilrichtung.
Der Kirchenraum von Niederkalbach hat eine bemerkenswerte Akustik. Die
Gewölbedecke des Langschiffes verläuft von der Empore aus zum Altar hin
ansteigend und wirkt wie ein Horn, das den Schall nach vorne trägt. Leise Töne
werden klar nach vorne geleitet,
in umgekehrter Richtung verirrt
sich der Klang zurück und wird
fade. Diese Eigenschaft könnte
man zunächst als Positiv
beurteilen, aber sie hat auch
Tücken. Werden die
Reflexionsflächen des
schallempfindlichen Raumes
unterbrochen, bspw. durch
Besucher verändert sich das
Klangbild erheblich. Die besten
Plätze befinden sich im zweiten
Drittel des Langschiffes von der
Empore aus gesehen.
Wir hörten uns zunächst Pfeifen aus der alten Späth Orgel an und beurteilten die
Lautstärken im Raum. Unter Berücksichtigung verschiedener Veränderungen
(Emporenform, Brüstung, angebautes Querschiff) zwischen 1917 und 2007
entwickelte sich unser Ansatz für die Grundlagen. Demnach bearbeiteten wir
Probetöne, die im Übrigen letztendlich mit den Lautstärken der Spät Orgel so gut wie
identisch sind. Auf dieser Basis entstand das fein abgestufte Klangwerk. |
- Windladen
Durch diese Baugruppe wird das werkweise darauf stehende Pfeifenwerk über die
Traktur angesteuert und somit durch den einströmenden Wind zum Klingen gebracht.
Die Ausführung der Windladen beeinflussen die Präzision der Spielbarkeit sowie die
Entwicklung der Einzelklänge und die Verschmelzung des Gesamtklanges. Da diese
Baugruppe hunderte von beweglichen Teilen enthält und zudem winddicht sein
muss, entscheidet diese Schnittstelle oftmals über die Lebensdauer der gesamten
Orgel.
Durch die Form der Fassade war die Teilung der Windladen vorbestimmt und wurde
symmetrisch, seitenweise (C- Seite links, Cs- Seite rechts) aus der Mitte heraus
abfallend angelegt. So konnte das Pfeifenwerk durch die Front verdeckt und die
Windwege kurz gehalten werden. Außer den Prospektpfeifen konnten alle Pfeifen
ohne Verführungen direkt über den Kanzellen aufgestellt werden.
Verschiedene Details:
Rahmen, Stöcke, Dämme, Schleifen und Spunddeckel sind aus Eiche gefertigt,
Schiede, Windkastenrahmen, Windkastenböden, Ventile und Raster aus Fichte.
Dichtungsringe, unter und über den Schleifen, sind aus Kasimir (hochwertiger Stoff
mit aufrecht stehenden Fasern) gefertigt. Die Schleifen (sorgfältigst ausgesuchtes
Eichenholz) wurden graphitiert und poliert, damit sie sich leicht bewegen lassen. Die
leichten Ventile werden synchron mit der Tastenreise in einen befilzten Anschlag
gespielt um schnelle Repetitionen zu ermöglichen. Der Ventilanschlag ist regulierbar
an den Spunddeckeln angebracht. Die Herstellung von Pulpeten aus beledertem
Blei, Ventilfedern (ohne Auge) aus Klaviersaite, Trakturführungen und Dichtungen
aus Leder, Drahtösen an den Drahtenden der Abzüge wurden mit Wolle gefüllt, um
toten Gang zu vermeiden. Die Kanzellen der Schwellwerklade wurden im Bereich der
Oboe 8’ mit Trennschieden von der restlichen Kanzelle abgetrennt, so dass das
windempfindliche Zungenregister unabhängig vom Verbrauch anderer Register
bleibt. |
- Windanlage
Der Gebläsemotor fördert Wind in einen
Holzkanal, der durch drei einfaltige, (expressiv
wirkende) Bälge verläuft. In jedem Balg befindet
sich ein schräg angeordnetes Regulierventil, so
kann jedes Werk mit individuell eingestellten
Winddruck unabhängig voneinander versorgt
werden. Von den Bälgen ausgehend verlaufen
weitere Holzkanäle, welche die Windladen mit
entsprechenden Druck versorgen. An den
Windkästen beider Manualwindladen wurden
weitere Bälge als Stoßfänger aufgesetzt. Wegen
der Trennung der Manualladen (eingeschobener
Spieltisch) mussten pro Lade zwei Stoßfänger
gebaut werden. Insgesamt gibt es also 7 Bälge in
der Orgel. Die beiden Stoßfänger von SW
werden beim Ziehen des Tremulanten
(Kanaltremulant) durch zwei Klappen stillgelegt. |
- Trakturwerk
Durch die seitenspielige Anlage in Kombination mit der seitlich wechselnden
Aufstellung des Pfeifenwerkes sind die zahlreichen beweglichen Verbindungen
zwischen den Tasten und den Ventilen unterschiedlich lang. Im Diskantbereich etwa,
steht ein Ton direkt am Spieltisch, der Nachbarton jedoch auf der anderen Seite, die
Trakturlänge differiert um etwa 3 Meter und trotzdem ist dieser Unterschied beim
Spielen nicht spürbar. Die Trakturen wurden aus der Kombination von Fichte,
Messingdraht, Eisenwellen, Eisenwinkeln, und präzise laufenden Lagern hergestellt.
Unsere Trakturen sind mittlerweile bekannt für Leichtgängigkeit, extreme Repetition,
präzise Feinfühligkeit und rationelle Anordnung. |
- Gehäuse
Die seit 1977 in einer benachbarten Scheune
aufbewahrte historische Fassade bestimmte die
Konstruktion der gesamten Orgel von Anfang an.
Alles musste so untergebracht sein, dass es
einerseits dahinter verdeckt wird, andererseits
aber in voller Bauweise seinen Zweck erfüllt. Im
Zusammenhang mit der technischen
Konstruktion wurde das eigentliche Gehäuse
entworfen und im Stil der Fassade gestaltet. Das
Gehäuse wurde aus feinjähriger und
resonanzfreudiger Fichte gebaut.
Die in klassischer Rahmenbauweise gefertigten
Füllungen sind nach oben hin leicht
herausnehmbar. Das Pedalwerk wurde aus
klanglichen Gründen mit durchbrochenen
Füllungen ausgestattet. Das Schwellwerk steht in
einem starkwandigen, vollständig
geschlossenem Gehäuse und ist mit waagerecht
angeordneten Klappen in der Front ausgestattet. Die 22 Klappen lassen sich von
einem Tritt am Spieltisch über eine massive Eisenwelle feinfühlig bewegen und
lenken den Klang des Schwellwerkes musikalisch proportioniert in den Kirchenraum.
Die Fassade selbst wurde untersucht um die farbliche Fassung festzustellen. Danach
wurde sie entfärbt und restauriert, die originale
Substanz konnte komplett erhalten werden. Die
Aufgenommenen Farben wurden durch einen
Kirchenmaler rekonstruiert und nach der
ursprünglichen Fassung wieder aufgetragen und
patiniert. |
• Allgemeine Zusammenfassung
Das Gesamtwerk dieser Orgel ist letztendlich das
Ergebnis aus Umsetzung der Vorgaben -
ausgehend von den Wünschen des
Auftraggebers - und den eigenen firmeninternen
Vorstellungen. Es sollte ein langlebiges und
wertvolles Kunstwerk entstehen in optischer und
klanglicher Hinsicht.
Jetzt steht ein Werk mit romantischem Prospekt gleichsam als Wiederaufnahme des Erscheinungsbildes der Vorgängerorgel. So hat
die Kirche einen neuen - alten – Bestandteil zurück bekommen. Konstruktion und
innerer technischer Aufbau wurden letztendlich im Sinne der Klanggestalt im Detail,
in der Vielfalt und in der Fülle entwickelt
Die neue Orgel am sakralen Ort in der St. Laurentius Kirche von Niederkalbach ist
"Botschafterin". Jetzt liegt es an denen, die ihre Botschaft leise und laut werden
lassen zur Ehre Gottes und zum gehaltenen Zuhausefühlen derer, die sich im
Gottesdienst von ihr mitnehmen lassen wollen im Hören, im Animieren zum
Einstimmen in den Gesang von Gemeinde und Chor. Und auch im Konzert ganz
einfach zur Freude der Menschen - im verhaltenen und virtuosen, übermütigen und
ausreizenden, ja provokanten Spiel bietet das Instrument die denkbar besten
Voraussetzungen. |
Prof. Jürgen Kaiser |
Orgelsachverständiger; Klanggestaltung, Beratung und Betreuung des Projektes über den gesamten Zeitraum. |
Ullrich Moormann |
Orgelsachverständiger; Betreuung des Projektes über den gesamten Zeitraum. |
Pfarrer Niemic |
Pfarrer; Organisation, Verhandlung, Finanzplanung, Organisation, Initiator. |
Andreas Schmidt |
Organisation, Ablauf, Gesamtplanung, Konstruktion, Klanggestaltung, praktische Arbeiten an Windladen, Pfeifenwerk, Spieltisch und Gehäuse. Technische und fotografische Dokumentation, Intonation. |
Thomas Müller |
Planung, Konstruktion, Klanggestaltung, praktische Arbeiten an Windanlage, Windladen, Traktur, Gehäuse. |
Matthias Detsch |
Praktische Arbeiten an Windladen, Pfeifenwerk, und Gehäuse. Fotografische Dokumentation, Restaurierung von Holzpfeifen. |
Faxe Müller |
Praktische Arbeiten an Ton und Registertrakturen, insbesondere im Metallbereich. |
Wolfgang Schramm |
Herstellung und Restaurierung der Metallpfeifen. |
Thomas v. Wolfersdorf |
Manualtasten. |
Gerd Schuster |
Porzellanschildchen. |
Laukhuff GmbH&Co Kg |
Gebläsemotor, Kleinteile. |
Christopher Betzwieser |
Voruntersuchung und farbliche Fassung der historischen Fassade. |
Weitere Personen |
Vorbereitung der Elektrik, Hilfe bei Transporten, Versorgung mit Kaffee, Kuchen und guter Laune. |
Wir danken allen, die durch ihren
Einsatz, ihre Spende, ihre Hilfe
und ihre Zuversicht zur Realisierung
des Projektes beigetragen
haben.
Orgelbau Andreas Schmidt |
|
|